Als wir vor drei Wochen zur Blogparade #appinsmuseum: Wie sähe die perfekte Museums-App aus? aufgerufen haben, war uns klar, dass die eingehenden Meinungen dazu gespalten sein werden. Und das waren sie. In zweierlei Hinsicht. Zum einen standen sich mit Blick auf den „perfekten“ Funktionsumfang die berühmte eierlegende Wollmilchsau und die weniger bekannte, da wesentlich schlankere, „Rhönquellschnecke“ gegenüber. Zum anderen polarisierte eine grundsätzliche Frage, deren Antwort wir durch das Thema der Blogparade bereits vorweg genommen hatten: Ist eine App überhaupt ein sinnvolles Instrument für ein Museum?
Zum Abschluss der Blogparade möchten wir diese beiden Spannungsfelder noch einmal in den Mittelpunkt stellen und einige Punkte aus den Beiträgen und Reaktionen diskutieren.
„App-etitlosigkeit“ kommt beim Essen?
Ist eine App wirklich ein Werkzeug, mit dem Museen ideal operieren können? Christian Gries hat in seinem Beitrag Die perfekte Museumsapp von einer „App-etitlosigkeit“ gesprochen, die sich derzeit unter Museen breit macht. Schlechte Downloadzahlen trotz kostenintensiver Produktion sowie hohe Wartungskosten führten derzeit zu einer „App-Müdigkeit, -Skepsis (oder -Frustration)“, was wohl die größte Herausforderung an eine „perfekte“ Museums-App sein dürfte. Das mag stimmen. Und die Herausforderung ist groß. Christian hat in seinem Beitrag selbst gute Ideen formuliert, wie man ihr begegnen kann. Allerdings fällt es mir schwer, die Stellschrauben ausschließlich auf Seiten der App zu sehen. Zwei Gedanken dazu:
Zum einen: Für die Downloadzahlen scheint mir weniger die App als vielmehr ihre Einbindung in eine Strategie verantwortlich. Downloadzahlen spiegeln den tatsächlichen Gebrauch einer App recht gut wider und machen ziemlich transparent, wie stark eine App vom Museum als digitale Erweiterung ihres Hauses verstanden und eingesetzt wird. Wenn eine App nicht als elementarer Teil eines Museums konzipiert und kommuniziert ist, sondern als ein „nice-to-have“ oder ein „übrigens auch als App“, kann man auch keine hohen Downloadzahlen erwarten. Natürlich ist die Verankerung einer App als fester Bestandteil eines Museumsbesuchs mit Ressourcen für ein Haus verbunden, die nicht jedes Museum hat. Das ist aber für andere Bereiche des Museums, insbesondere des Ausstellungsbetriebs, als dessen Teil die App funktionieren soll, auch nicht anders.
Zum anderen: Die von Christian genannten hohen Kosten sind für qualitativ hochwertige Produktionen digitaler Anwendungen ein Fakt. Auch Damián Morán Dauchez hat dies in seinem konstruktiv-kritischen Beitrag Nietzsches Museumsapp dargelegt. Damián schlägt deswegen eine App als eine Plattform für mehrere Museen vor, wodurch die Kosten für jedes einzelne Haus überschaubar bleiben könnten. Die Überlegung, dass sich Museen zusammentun, sich Programmierarbeiten teilen und eine gemeinsame App entwickeln, scheint plausibel und insbesondere für lokale Museumsverbunde mit zentraler Verwaltung attraktiv. Wenn aber der Mehraufwand in der Programmierung, der dadurch entsteht, dass viele unterschiedliche Museen mit ihren jeweiligen Ansprüchen und Vorstellungen zusammenkommen, tatsächlich die Kosten für jeden einzelnen senken soll, dürfen hier keine großen Ansprüche an Funktion und Layout gestellt werden. Durch geteilte Kosten könnten nach Damián aber nicht zuletzt auch andere Betriebssysteme als iOS und Android bespielt werden, was im Hinblick auf Barrierefreiheit wünschenswert sei. Aber auch hier kann es ebenfalls schnell teuer werden oder man bewegt sich aufgrund von Web-App-Technologie technisch in Funktionsmöglichkeiten, die eigentlich auch über eine Website abbildbar sind.
Zwischenbemerkung: In Ergänzung zu diesen Überlegungen der Kostenoptimierung und für alle Museen, die den Ehrgeiz haben, eine eigene App zu entwickeln, möchte ich aus Entwicklerperspektive hier einfügen, dass eine professionelle Planung der App, das umfasst unbedingt die Einbindung von Softwareentwicklern bereits in der Konzeptionsphase (!), ein professionelles Projektmanagement und wenig bis keine nachträglichen Änderungswünsche an getroffenen Vereinbarungen die Kosten in der Entwicklung erheblich senken können. Viele Funktionen einer App, die einem Laien vielleicht unkompliziert erscheinen, können einen großen Programmieraufwand bedeuten, der in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Mehrwert für den Nutzer steht. Hier müssen wir Agenturen gut informieren und beraten. Und den Museen muss klar sein, dass sie mit Apps sich in die Software-Entwicklung begeben und damit Teil eines Entwicklerteams werden.
Eierlegende Wollmilchsau vs. Rhönquellschnecke
Die Frage der technischen Umsetzung ist eng gebunden an den wünschenswerten Funktionsumfang einer App. Sie führt die Diskussion daher mitten in das zweite Spannungsfeld: Sollte eine App möglichst viele Sachen (gut) können oder sich auf einen ganz konkreten Anwendungsfall konzentrieren?
Unser Appell war bewusst als ein Aufruf zum Träumen formuliert. Die Beiträge von Katja Marek App ins Museum und Melanie Frey #appinsmuseum – wie sähe die perfekte Museumsapp aus? haben daher viele spannende Ideen entwickelt und Anwendungsfälle reflektiert. Im Ergebnis stehen dort komplexe Applikationen mit vielen Funktionen. Der Allrounder als ein idealer Begleiter eines jeden Museumsbesucher für alle seine Anliegen – vor, während und nach dem Besuch. Und es gibt zahlreiche Beispiele guter Museums-Apps, die das belegen. Es bleibt spannend, was uns hier noch erwartet!
Umso mehr überrascht das Gegenplädoyer: „Reduktion!“ – Zu diesem Fazit kommt Franziska Mucha in ihrem Beitrag Digitale Museumspraxis #6 – Apps, Apps, Apps. Und es gibt tatsächlich auch hier viele gute Beispiele für hervorragende Museums-Apps, die nur sehr wenige Funktionen umfassen, aber damit optimal in den Museumsbesuch integriert sind. Sei es durch eine Chatfunktion, einen Augmented-Reality-Browser oder vielleicht doch nur den Audioguide. Und hier ist es gerade die schlanke Funktionalität der Apps, die ihren Charme ausmacht und die sie zu einem kleinen aber wichtigen Bestandteil einer digitalen Strategie werden lässt.
Das Thema bleibt spannend. Die Diskussion ist voll im Gange. Und wir sind mitten drin in einer spannenden Zeit, die noch viele interessante Apps für Museen erwarten lassen.
Ein ganz großer Dank an alle, die mitgemacht haben!
Verfasser dieses Beitrags

Angelika Schoder
15. August 2016 @ 23:17
Danke für die Zusammenfassung – spannend, alle Perspektiven nochmal nachzulesen!
Jonas Gerlach
16. August 2016 @ 7:55
Danke fürs Mitmachen :-)
Claus Kreitmann
19. August 2016 @ 6:29
Mit Verlaub: ” widerspiegeln” statt “wiederspiegeln” :-(
Jonas Gerlach
19. August 2016 @ 9:13
Danke schön :-)