Im letzten Sommer bevölkerten Pokémon-Spieler die Straßen und Parks der Stadt, Pikachu und Glumander hatten sich aus den 90ern zurück in die Gegenwart und Herzen der Spieler und Spielerinnen katapultiert. Jetzt wird es wieder Frühling und mit der Schneeschmelze sind auch die Nutzungszahlen auf einem neuen Tiefstand angekommen. Und wieder stellen wir fest: Digitale Trends sind oft kurzlebig, In-Spiele kommen und gehen. Das „Game“ geht, das Spiel bleibt. Aber was steckt hinter der Begeisterung für das Spielerische, die regelmäßig neue Anwendungen aus dem Boden sprießen lässt?
Der Spaß am Spiel
Der Begriff „Gamification“ wirkt seit längerem als Buzzword in öffentlichen Debatten – Berater wie Christoph Deeg tragen ihn auch in den Kulturbereich. Gamification verspricht, mithilfe von spielerischen Anwendungen Lernprozesse zu motivieren und Informationsvermittlung spannender zu gestalten. Doch scheint in vielen Institutionen noch eine gewisse Scheu zu herrschen, das vermeintlich „profane“ Spiel in den „seriösen“ Raum des Museums einzulassen. Wir finden: Spielerischer Umgang mit Vermittlung und partizipative Ansätze in Ausstellungen können helfen, das Museum von seiner archivarischen Patina zu befreien.
Der Kulturwissenschaftler Johan Huizinga beschreibt schon 1938 den Menschen als “homo ludens“, der sich im Spiel entfaltet und selbst entdeckt. Das Spiel erhält so einen evolutionär wichtigen Stellenwert neben der Erzählung. Für ein Museum, das sich als Erfahrungsraum von Kunst, Kultur, Geschichtlichkeit und Gegenwart im Dialog begreift, können Elemente des Spielerischen, des Partizipativen und des Erzählens Teil einer umfassenden multimedialen und digitalen Strategie sein.
Was ist Gamification?
Von Marketern als kreative Möglichkeit zur Kundenbindung gefeiert, von Kritiken als neoliberale Entmündigung rationaler Handlungsentscheidung verschrien, ist die Verwendung des Begriffs weitgehend uneinheitlich. Im Allgemeinen versteht man unter Gamification die „Übertragung von spieltypischen Elementen und Vorgängen in spielfremde Zusammenhänge mit dem Ziel der Verhaltensänderung und Motivationssteigerung bei Anwenderinnen und Anwendern.“ (Gabler’s Wirtschaftslexikon) In dieser Definition steckt zunächst einmal weder die Kultur noch die Technik – doch wer heute von Gamification spricht, meint damit häufig digitale Anwendungen. Das liegt vor allem daran, dass der spielerische Wettbewerb, der der Idee zu Grunde liegt, besonders gut über Apps & Co. abgebildet werden kann. Fortschritt für die Spielenden selbst sichtbar zu machen, ist eine der zentralen Voraussetzungen, damit Gamification funktionieren kann.
Gamification in Museen
„Spielifizierung“, so die wenig elegante deutsche Übersetzung, ist überdies keine Idee der digitalen Gesellschaft. Die Erkenntnis, dass Spaß am Spiel motiviert und Motivation wiederum Konzentration fördert, hat dazu geführt, dass in der Pädagogik seit langem Lehr- und Lernkonzepte entwickelt werden, die spielerische Elemente einbeziehen. Oftmals sind Ansätze spielerischen Lernens – auch in Kulturinstitutionen – jedoch noch auf Angebote der Kinderbildung begrenzt. Suchspiele, Bilderrätsel oder multimediale Angebote im Museen richten sich oft nur an „die kleinen“ Besucher und Besucherinnen und verschenken damit Chancen für umfassendere Publikumseinbindung. Denn das ermutigende Siegel „von 0 – 99“, das viele klassische Gesellschaftsspiele ziert, gilt auch für Gamification im Museum. Die Zielgruppe muss hier nicht (nur) die technikaffine Jugend sein. Dass multimediale Angebote mit spielerischem Charakter auch bei der älteren Generation gut ankommen, zeigt der Rückblick auf die Ausstellung „OMG! Objekte mit Geschichte“ im Badischen Landesmuseum.
Elemente des Spiels können in Kulturinstitutionen in ganz unterschiedlicher Form implementiert werden – digital und analog. Es gibt Story-basierte Spiele, die der Nutzerin erlauben, sich an einer Leitgeschichte durch die Lernwelt zu navigieren (z.B. WW1: Love & Sorrow, Museum Melbourne), Anwendungen, die Objekt-basierte Interaktionen ermöglichen (z.B. Design a Wig, Victoria & Albert Museum in London), oder solche, die größere Freiräume eröffnen, um die Grenzen zwischen virtuellen und analogen Welten zu erforschen (z.B. Being Faust – Enter Mephisto, Goethe-Institut Korea).
Kuratorinnen und Kulturschaffende sollten sich also zunächst fragen, in welchem Bereich sie ihre Aufgabe verorten. Welche Inhalte wollen sie vermitteln? Welche Erfahrungen transportieren? Könnte etwa eine Schnitzeljagd durch’s Museum, ortsbasierte Minispiele oder komplexe Erzählungen die Grundlage bilden? Und welche Medien werden dafür eingesetzt? All dies liegt in der Auseinandersetzung mit der jeweiligen Thematik. Bei der gesamten Entwicklung von Gamification-Strategien sollte aber klar sein, dass analoge Ausstellungen und digitale Strategien sich im Spiel gegenseitig befruchten und dass Anspruch und Spiel sich nicht ausschließen.
Pokémon Go mag in diesem Frühjahr schon wieder Schnee von gestern sein – das Spiel als Kulturtechnik bleibt. Und darum ist es auch für Kultureinrichtungen wichtig, sich mit den Möglichkeiten transmedialer Spiele und Geschichten auseinanderzusetzen. Wir finden: Natürlich darf das Museum Spaß machen!
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