In der Kunst- und Kulturwelt werden Veranstaltungen wie TweetUp und Instawalk immer bekannter. Museen, Theater und andere Kultureinrichtungen öffnen ihre Türen für Twitterer, Blogger, Fotografen und laden sie zu speziellen Events ein. Die digital vernetzten Besucher berichten ihrerseits live über Twitter, Instagram etc. oder im Nachhinein über den jeweiligen Blog von der Veranstaltung. Das Wort Tweetup setzt sich zusammen aus den Worten „Tweet“ und „Meetup“: „während eines realen Treffens darüber twittern“. Ein Instawalk basiert auf dem gleichen Prinzip, jedoch geht es vorrangig um Fotografien, die über Instagram oder andere Plattformen geteilt werden.
Im Rahmen des stARTcamp Köln haben Anke von Heyl, Kunsthistorikerin und Museumspädagogin und Filomena Lopedoto, Projektkoordinatorin bei KulturVermitteln e.V., eine Diskussionsrunde zum Thema „Kulturvermittlung bei TweetUp und Instawalk“ angeboten. Circa 15 Teilnehmer haben sich zusammengefunden und rasch kam eine sehr lebhafte Diskussion in Gang.
Ausgangspunkt für diese Session war die Erfahrung, dass „normale“ Museumsführungen bei TweetUps und Instawalks nicht funktionieren. Als Guide ist man mit dem Konzept einer normalen Museumsführung mit den ungewohnten Verhaltensweisen der Teilnehmer oft überfordert: Einige starren nur auf ihr Smartphone, andere laufen weg und fotografieren oder filmen, die Gruppe ist unruhig und fällt auseinander. Die inhaltlichen Informationen sind schwer zu vermitteln, gewohnte Ansprachen und Konzepte greifen nicht.
Welche Vermittlungskonzepte passen zu einem TweetUp/Instawalk? Werden spezielle Weiterbildungen für Guides zu diesen Themen benötigt? Und sind sich Vermittlungsabteilungen dieses Themas bewusst?
Direkt zu Beginn der Diskussion fiel der Begriff „Angebotsdesign“, ein Begriff, der für jedes kommerzielle Produkt gültig ist: „das Angebot auf die Zielgruppe zuschneiden“. Auch Führungen müssen auf den Besucher abgestimmt werden, in unserem Fall auf den digital kommunizierenden Besucher, den das Haus genau zu diesem Zweck eingeladen hat. Spontane Ideen waren die „Führung im 140-Zeichen-Stil“ oder Statements auf Tafeln/Postern vorbereiten.
Angebotsdesign – Planung ist eben alles, sagt die @kulturtussi. #sck14 #Kulturvermittlung
— Kathrin Reinert (@klangspur) September 27, 2014
Ein neues Format ohne monologische Vermittlung hat Anke von Heyl vorgestellt: den Twitter-Parcours im Museum Ludwig zur Pierre Huyghe Ausstellung.
Grundlage für die Entwicklung eines solchen Parcours ist die Frage: Was ist mit einem Smartphone alles möglich? Foto, Text, Film… der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Die Besucher bewegen sich autonom durch die Ausstellung, lösen kreative Aufgaben und teilen die Ergebnisse über die sozialen Medien und kommunizieren auch untereinander. So wird die Ausstellung sehr individuell erschlossen. Aber wie sieht es mit den Inhalten aus? Eine Möglichkeit wäre, Inhalte bereits im Vorfeld über Infotweets, Youtube-Videos, Blogeinträge etc. bereitzustellen. Wir kamen zu dem Schluss, dass Informationen bereitgestellt werden müssen, der Freiraum für Aktion und Interaktion aber größtmöglich sein muss.
Jetzt geht's los mit dem Twitter Erlebnis Parcours zu Pierre Huyghe #kmufe #imt14 pic.twitter.com/9bi92qSUue
— Die Herbergsmütter (@herbergsmuetter) May 18, 2014
In Theatern sind TweetUps gibt es zusätzliche Probleme.
#Tweetups im #Theater sind schwierig – leuchtende Endgeräte im Zuschauerraum sind für Schauspieler irritierend. #sck14 #Kulturvermittlung
— Kathrin Reinert (@klangspur) September 27, 2014
Das Schauspiel Dortmund hat diese Probleme gelöst und kreativ reagiert: Am Ende der Vorstellungen von “Hamlet” werden die Zuschauer aufgefordert, per Twitter unter #HamletDo und SMS ihre Meinung zum Stück auszudrücken. Die Kommentare werden auf eine Leinwand auf der Bühne projiziert und es wird digital diskutiert.
Im @SchauspielDo auffe Leinwand. Da haste es geschafft. #hamletdo pic.twitter.com/paCPHLOK7z
— Achim Hepp 👉🏼 (@achimh) September 12, 2014
Ein wichtiger Punkt bei solchen Events ist die Interaktion zwischen den Teilnehmern. Auch wenn viel digital kommuniziert wird, die analoge Kommunikation und das Socialising der Teilnehmer ist ein wichtiger Grund für die Teilnahme.
Problematisch wurde gesehen, dass solche Events vielen Zielen gerecht werden müssen: inhaltliche Vermittlung, der Marketing-Aspekt sowie dem Wunsch der Teilnehmer nach Netzwerk-Möglichkeiten.
Das Multitasking funktioniert, wenn bei #tweetups das Fachwissen der Museumspädagogen weiter getwittert wird. #sck14 #Kulturvermittlung
— Kathrin Reinert (@klangspur) September 27, 2014
Es wurde sehr schnell klar, dass eine solche Veranstaltung einen Mehrwert für den Besucher haben muss. Daraus entstanden weitere Formatvorschläge: z.B. eine Kontaktbörse, wie sie auch in Theatern bereits umgesetzt wird, allerdings nicht digital. Spezielle Führungen im Depot, beim Aufbau, beim Restaurator oder Gespräche mit Direktor oder Kurator wären in Museen möglich. Es müssen neue Konzepte gefunden werden, die den Teilnehmer begeistern und zum Fürsprecher des Museums werden lassen.
Am besten sollten für diese Veranstaltungen branchenfremde Teilnehmer gefunden werden, da diese ihre Erfahrungen über den üblichen Besucherkreis des Hauses hinaus verbreiten. Grandios war der Hinweis, dass bereits Taxifahrer und Friseure zu Veranstaltungen eingeladen werden, die dann ihren Kunden von dem Erlebnis erzählen, allerdings analog.
Taxifahrer und Friseure als Multiplikatoren für Kultur. Was für eine geniale Idee. #mademyday #sck14
— Sandra Brauer (@sanna_br) September 27, 2014
Für einen nachhaltigen Erfolg eines solchen Events, ist es wichtig, den Kontakt zu der Community auch nach der Veranstaltung weiter zu halten. Wenn die Aktivität in den sozialen Medien einschläft, hat der Besucher die Institution auch bald wieder vergessen.
Weiterhin wurden noch generellere Probleme von Kultureinrichtungen mit digitalen Medien angesprochen:
• Um solche Events durchführen zu können, bedarf es einer digitalen Strategie, die das gesamte Haus umfasst und von der Museumsleitung beschlossen und unterstützt wird.
• Innerhalb dieser Strategie muss geklärt sein, welche Inhalte wie kommuniziert werden sollen, dann erst kann ein entsprechendes Konzept für die Vermittlung entstehen.
• Welche digitalen Kanäle sollen bespielt werden? Blogs können Inhalte für die sozialen Netzwerke liefern. Wichtig ist, dass wirklich mit der Community kommuniziert und interagiert wird.
• Fotomöglichkeiten im Haus schaffen, wenn generell fotografieren nicht möglich ist. Ein Selfie-Platz mit einem unempfindlichen Kunstwerk im Foyer wäre eine Option.
• Die Ausbildung des Vermittlungs-Nachwuchses muss bereits frühzeitig geschehen.
• Die Kommunikation auf digitalen Kanälen muss der Zielgruppe angepasst sein, z.B. junge Leute für junge Leute kommunizieren lassen.
• Kunst und Kultur müssen cool werden!
Vielen Dank allen Teilnehmern für diese spannende und aufschlussreiche Session und für das positive Feedback! Wir freuen uns auf weitere Diskussionen und Hinweise auf neue TweetUp/Instawalk-Formate!
Anke von Heyl (@kulturtussi, avh@kultureventbuero.de)
Filomena Lopedoto (@fldus, lopedoto@web.de)
Hier die erwähnten Literatur- und Veranstaltungshinweise:
Buch: „All you Tweet is love“ – Tweetups in Kultureinrichtungen
Folien “Tweetups Dos & Don’ts” (Session beim stARTcamp Köln 14 von Johannes Mirus)
Seminar: “Kultur zwitschern” – Twitter-Impulse für die Kulturvermittlung mit Anke von Heyl, 3.12.2014 in Köln
Seminar: „Digitale Strategien für Kultureinrichtungen“ von KulturVermitteln e.V. am 22.10.2014 in Köln
Soo interessante Session zu #Kulturvermittlung gehabt, dass keine Zeit zum twittern war:( #sck14 Danke die Damen!
— Laura Sander (@deloeri) September 27, 2014
Engagiertes Plädoyer für mehr Social Media in der Kunst- und Kulturvermittlung. Find ich gut. #sck14
— Sandra Brauer (@sanna_br) September 27, 2014
https://twitter.com/klangspur/status/515862327929753600
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