Stellen wir uns vor, wir stehen in Astana, der Hauptstadt Kasachstans. Beim Blick auf das Smartphone, öffnet sich eine Push-Nachricht: „Hilf uns, den magischen Fluss wieder zu beleben! Löse die Aufgaben am alten Energiebaum!“. Eine Elster zeigt uns auf dem Bildschirm unseren aktuellen Standort. Dann öffnet sich ein Feld mit mehreren Fragen und mit der Aufforderung, diese richtig zu beantworten. Für jede richtig gelöste Aufgabe, erhalten wir Energieteilchen. Doch was hat es damit auf sich?
Es handelt sich um die geobasierte Spiele-App namens „Urbane Ecken“. Das bereits im Winter 2015 mit der Konzeption und Planung begonnene Projekt, wurde vom Goethe Institut Kasachstan in Auftrag gegeben. In Zusammenarbeit mit CAREC, einer gemeinnützigen Umweltorganisation für den ostasiatischen Raum, und Pausanio wurde das Spiel im September 2016 gelauncht. Anlass für das internationale Großprojekt ist die EXPO 2017 zum Thema „Future Energy“. Diese findet Mitte dieses Jahres in Astana statt und behandelt das Thema der zukünftigen, nachhaltigen Energieressourcen.
Mit Gewohntem Neues lernen und Bewusstsein schaffen
Kasachstan ist das neuntgrößte Land der Erde. Bei einer Bevölkerungsdichte von sieben Einwohnern auf einen Quadratkilometer, ist es zugleich eines der rohstoffreichsten Länder. Und hier liegt der springende Punkt: Anders als in Europa, ist die Notwenigkeit der erneuerbaren Energien noch nicht im Bewusstsein der kasachischen Bevölkerung angelangt. Warum denn auch?
So war die Weltausstellung für das Goethe Institut der richtige Zeitpunkt, um die eigene Sprach- und Vermittlungsarbeit mit dem Anspruch zu verknüpfen, die kasachische Bevölkerung spielerisch an dieses wichtige Thema der erneuerbaren Energien heranzuführen. Bei der Konzeption war schnell klar, dass vor allem die junge Generation zu einem Umdenken animiert werden muss.
Die Zielgruppe dürfe aber nicht belehrt werden, sondern vielmehr mit spielerischen Denkansätzen ein Bewusstsein für dieses Thema geschaffen werden. Dies funktioniere nur mit Hilfe von vertrauten Vermittlungsmethoden und im direkten Lebensumfeld der Jugendlichen, so der Gaming-Experte Christoph Deeg beim ersten Treffen im November 2015. Das Ergebnis ist ein geobasiertes Strategiespiel in Form einer App für Smartphones und iPads.

Outdoor-Experience in einer virtuellen Spielwelt
In der ganzen Stadt von Astana „Spots“ eingerichtet. An diesen Punkten können sich die Schüler und Jugendlichen einloggen, um Aufgaben zu lösen. Mit Push-Nachrichten werden die Spieler auf Spots in ihrer Nähe hingewiesen, wenn sie in der Stadt unterwegs sind. Zudem werden die GPS-basierten Geopunkte in einer Stadtkarte innerhalb der App angezeigt.
Es gibt vier verschiedene Aufgabentypen: Textfragen, Multiple-Choice-Fragen, Foto- sowie QR-Code-Aufgaben. So werden die Spieler zum Beispiel aufgefordert, im Park die Totem-Tiere der Wächter zu suchen und zu fotografieren. Diese werden dann in einem eigens für das Spiel installierten Online-Fotostream hochgeladen, der im Internet unter urban-corners.org/photoStream einsehbar ist.
Eine weitere Besonderheit sind die bis jetzt noch etwas selteneren QR-Code-Aufgaben: Dabei müssen die neuen Wächter versteckte QR-Codes an den Spots finden und diese mit ihrem Gerät scannen, um weitere Spielinformationen oder Energieteilchen zu erhalten. Alle Rätsel drehen sich auf unterschiedliche Weise um das Thema der nachhaltigen Energien.
In Verbindung mit den Sozialen Netzwerken Facebook und der in Kasachstan sehr populären Plattform vkontakte, findet eine medienübergreifende Kommunikation und Dokumentation des Spieles statt. Auf diese Weise können sich die Spieler untereinander vernetzen und ihre Spielerfolge öffentlich teilen. Auch interessierte Nicht-Spieler können so dem Spielverlauf folgen. Die App kann zudem in vier Sprachen gespielt werden: Deutsch, Englisch, Russisch und Kasachisch. Lädt man das kostenlose Spiel aus dem App-Store für Apple oder Android runter, wird man erst einmal durch die fiktionale Gamestory geführt.
Als Wächter durch die Stadt
Beim Öffnen der App, wird man aufgefordert, sich für eine der fünf Wächtergruppen zu entscheiden und ein eigenes Wächterprofil inklusive Schlachtruf anzulegen. Um erfolgreich Aufgaben zu lösen und Energiepunkte zu sammeln, muss man als Spieler das Haus verlassen und die Spots aufsuchen. Die erspielten Punkte werden an den magischen Fluss weitergegeben, um ihn wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ein Pegelstand zeigt an, wie viele Punkte insgesamt noch gebraucht werden. Der Fluss kann somit nur in Teamarbeit gerettet werden. Der Wolf und die Elster begleiten die Spieler mit Tipps durch das Spiel und informieren sie mit Push-Nachrichten über Neuigkeiten.
Beim Launch der App Ende September 2016, startete das Spiel mit 12 Spots und 221 Spielern. Durch Kooperationen mit Schulen und vom Goethe Institut initiierte Workshops, wurde das Spiel im Vorfeld bei den potentiellen Spielern publik gemacht. Zahlreiche Schüler halfen die Alphaversion des Spieles zu testen und gaben konstruktive Kritik an die Entwickler von Pausanio weiter. So gelang es in Zusammenarbeit aller Beteiligten, ein anspruchsvolles und unterhaltsames Spiel zu realisieren. Mittlerweile zählt das Spiel über 500 aktive Spieler – und es werden stetig mehr!
Aktives Engagement wird belohnt
Jeden Monat werden neue Spots und Aufgaben freigeschaltet. Auch die Spieler können neue Spielorte und Rätsel vorschlagen, die sie beim Goethe Institut einreichen. Regelmäßige Preisausschreiben und Wettbewerbe spornen die Spieler an, sich aktiv mit eigenen Ideen einzubringen und sich somit am Ausbau des Spiels zu beteiligen.
Neben kleineren Gewinnen wie Eintrittskarten für die EXPO, T-Shirts, Fahrrädern und Fairphones, besteht der Hauptpreis zum Ende des Spieles aus einer Deutschlandreise. Die Jury setzt sich aus Vertretern des Goethe Institutes, CAREC und Fachexperten zusammen. Sie entscheidet über die innovativsten und kreativsten Vorschläge der Spieler.
Verbindung zwischen Analog und Digital
Die Schüler und Jugendlichen werden so nicht nur zum aktiven Mitmachen animiert, sondern gelten als Multiplikatoren des Spieles, indem sie als Wächter in der realen Stadt unterwegs sind.
Aufgrund dessen findet die Vermittlung nicht nur digital statt. Themenbezogenen Veranstaltungen und Aktionen werden in die tatsächliche Lebenswelt der Zielgruppe eingebunden. Auf diese Weise schafft man neue Erfahrungsräume für die Spieler, in denen sie sich individuell mit dem Thema auseinandersetzen können.
Ein umfangreiches Begleitprogramm unterstützt die Intention des Spieles. So gab beispielsweise Nicolas Journoud, der Grafikdesigner der App, einen Zeichenworkshop in Astana. Dabei lernten die Teilnehmer, wie man selbst kreativ wird und wie digitale Grafiken für das Spiel entworfen werden.
Mit dem Beginn der Weltausstellung werden zusätzliche Spielfeatures und Aktionen in Kooperation mit dem Veranstalter realisiert. Im Sommer werden dann auch weitere, themenbezogene Aufgaben auf dem EXPO-Gelände integriert. Leider ist das Spiel vorerst nur in Astana spielbar. Allerdings gibt es bereits Pläne, die Spielorte zumindest auf weitere Städte in Kasachstan auszuweiten.
Verfasser dieses Beitrags
